In vielen Ländern fehlt derzeit die schwäbische Hausfrau

Die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen sind zwischen Anfang September und Anfang Oktober von 4,05% auf knapp 4,90% in die Höhe geschnellt. Als ein Auslöser wird der hohe Angebotsdruck an US-Treasuries gesehen – und in der Tat werden derzeit so viele Staatsanleihen emittiert wie nie zuvor. 

Allerdings gibt es für den jüngsten Renditeanstieg eine einfachere und plausiblere Erklärung: Die US-Wirtschaft läuft derzeit auf hohen Touren. Entsprechend schwindet die Hoffnung, dass die Geldpolitik in Bälde wieder gelockert werden kann. Die Zinssenkungserwartungen an den Märkten haben sich demgemäss zurückgebildet, was automatisch steigende Renditen nach sich zog. Dieser Effekt wird sich indes bald umkehren, da aus unserer Sicht auch die USA stärkerem konjunkturellen Gegenwind ausgesetzt sind.

Dennoch sollte das Problem der Staatsverschuldung nicht kleingeredet werden. Vielmehr wird dieses Thema mittelfristig in vielen westlichen Industrieländern mit aller Macht auf die Tagesordnung zurückkehren. In der Haushaltspolitik ist spätestens seit der Corona-Pandemie der Schlendrian eingekehrt. Die öffentlichen Budgets wurden massiv aufgebläht. Gleichzeitig ist der Schuldenstand in Relation zum BIP weiter angeschwollen. Laut IWF liegt er in Frankreich aktuell bei 110%, in den USA bei 120% sowie in Italien bei gut 140% und damit jeweils rund 20%-Punkte höher als noch vor zehn Jahren. 

Es hätte indes noch schlimmer kommen können. Aufgrund des Inflationsschubs der Jahre 2021 bis 2023 (+17% in den USA/in der Eurozone) wurde ein Teil der zusätzlichen Schulden – in Relation zum nominalen BIP – weginflationiert. Dieser Effekt läuft jetzt aber aus. In den nächsten Jahren dürfte sich die Inflationsrate in den USA und in der Eurozone bei 2% bis 3% einpendeln. 

Gleichzeitig werden die staatlichen Zinskosten erst mit Verzögerung auf den Renditeanstieg reagieren. Darüber hinaus dürften die Staatsanleihenrenditen nicht wieder auf die tiefen Niveaus der 2010er Jahre zurückfallen. Nach einem temporären Rückgang im Jahr 2024 werden sie in den nächsten Jahren nach unserer Einschätzung auf 4% (Bundesanleihen) bzw. 5% (US-Treasuries) zusteuern und damit weitgehend dem nominalen Wachstumstrend entsprechen. 

Unter dieser Konstellation (Nominalrenditen = nominaler Wachstumstrend) ist Haushaltsdisziplin angesagt: Damit die Staatsverschuldung nicht aus dem Ruder läuft, muss das primäre Defizit (Budgetsaldo ohne Zinszahlungen) bei null liegen. Vielen Regierungen dürfte die Einhaltung dieser Restriktion allerdings schwerfallen. In den USA lag das Primärdefizit in den vergangenen Jahren bei rund 3% des BIP. Damit der Saldo auf null fällt, müssten massive Ausgabenkürzungen vorgenommen werden. Angesichts der politischen Blockaden und Herausforderungen (Klimawandel, geopolitische Konflikte, Überalterung) ist ein solcher Konsolidierungskurs in absehbarer Zeit aber schwer vorstellbar.

Noch prekärer sieht es in Italien aus. Hier dürfte das Renditeniveau mit Blick voraus über dem nominalen Wachstumstrend liegen. Somit ist sogar ein primärer Budgetüberschuss erforderlich, um langfristig stabile Staatsfinanzen zu gewährleisten. Davon ist die aktuelle Regierung aber weit entfernt. Kaum vorstellbar ist überdies, dass die künftigen EU-Fiskalregeln den Mitgliedsländern stärkere Haushaltsdisziplin abverlangen. 

Alles in allem drohen den USA in den nächsten Jahren weitere Rating-Herabstufungen. Gleichzeitig ist in der Eurozone die Rückkehr der Staatsschuldenkrise mit allen Konsequenzen – Spreadausweitungen in der Peripherie – ein wahrscheinliches Szenario.

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