EZB nahe am Leitzinshoch

In der vergangenen Woche fällten sowohl die US-Notenbank Fed als auch die Europäische Zentralbank ihre jüngste Zinsentscheidung. Die Leitzinsen wurden jeweils um 25 Bp angehoben und in beiden Fällen gab es eine signifikante Anpassung der verbalen Untermalung des geldpolitischen Beschlusses.

Die amerikanischen Währungshüter stellten eine Zinsanhebungspause in Aussicht, nachdem sie die Fed Funds Target Rate seit März 2022 um insgesamt 500 Bp angehoben haben. Frühere Zinszyklen haben jedoch gezeigt, dass sich angekündigte Zinsanhebungspausen in der Regel als das Ende eines Anhebungspfads herausgestellt haben. Unseres Erachtens wird das auch dieses Mal der Fall sein. Wir gehen darüber hinaus weiterhin davon aus, dass die Fed die Leitzinsen im 2. Halbjahr 2023 in Reaktion auf eine steigende Arbeitslosenquote und einen nachlassenden Inflationsdruck merklich senkt.

Demgegenüber hielten die Währungshüter der EZB an ihrem Tightening Bias fest. Notenbankpräsidentin Christine Lagarde sagte, man habe das Ende der Zinsanhebungsreise wohl noch nicht erreicht. Allerdings finden sich in der geldpolitischen Stellungnahme ebenfalls eindeutige Hinweise darauf, dass der EZB-Rat sich nicht mehr weit vom Zinsgipfel entfernt sieht. So wird beispielsweise erstmals darauf verwiesen, dass sich die bisherige Straffung um in Summe 375 Bp seit Juli 2022 in einer erheblichen Verschärfung der Finanzierungskonditionen niedergeschlagen habe.

Davon abgesehen hat Lagarde mehrfach betont, die Einschätzung weiterer Zinsanhebungen beruhe auf dem im März formulierten Basisszenario eines BIP-Anstiegs um 1,0% im laufenden Jahr und der Überschreitung des Inflationsziels in den Jahren 2024 und 2025. Beide Prognosen stehen unserer Meinung nach auf wackeligen Beinen und sollten im Juni revidiert werden.

Wir halten die EZB-Annahme zum Wirtschaftswachstum für die kommenden Quartale für zu optimistisch. Sie basiert auf quartalsweisen Zuwachsraten von 0,4%. Wir rechnen dagegen infolge des dämpfenden Effekts der verschärften Finanzierungskonditionen sowie des sich eintrübenden aussenwirtschaftlichen Umfelds mit einem schrumpfenden BIP.

Davon abgesehen liegen die Marktpreise für Rohöl, Gas und Strom aktuell teils erheblich unterhalb der von den Währungshütern gesetzten Annahmen, während der Euro fester notiert als im März unterstellt. Die eingetrübten Konjunkturperspektiven und der stärker als ursprünglich erwartet nachlassende Preisdruck über die Rohstoffpreise deuten auf einen ausgeprägten Dis-inflationstrend in den nächsten Quartalen hin. Das spricht unseres Erachtens gegen weitere Zinsanhebungen. Zumal die ab Juli beschlossene Einstellung der Reinvestitionen im APP sowie der erhebliche Abbau der Überschussliquidität im Finanzsystem ohnehin zu einer nochmaligen Verschärfung der Finanzierungskonditionen führen werden.

Vor diesem Hintergrund gehen wir davon aus, dass das Leizinsniveau auch in der Eurozone nicht weiter steigt. Das Hauptrisiko dieser Prognose liegt darin, dass sich der EZB-Rat auf die infolge statistischer Effekte bis zum Sommer stark erhöhte Kerninflationsrate fokussieren könnte und die Leitzinsen im Juni letztmalig um 25 Bp anhebt. Die Geldterminmärkte rechnen indes derzeit mit knapp 50 Bp an Zinserhöhungen. Wir sehen hier entsprechend selbst im Falle des Eintretens unseres Risikoszenarios Korrekturpotenzial, das für künftig weiter sinkende Bund-Renditen spricht.

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