Rezession in der Eurozone bleibt auf der Agenda

Dem milden Wetter und den Gas- und Strompreisbremsen sei Dank: Anders als befürchtet, ist die Wirtschaft der Eurozone in den Wintermonaten nicht in die Rezession gerutscht. Auf einen minimalen Rückgang um 0,1% im 4. Quartal 2022 folgte im 1. Quartal 2023 ein ebenso kleiner Anstieg des BIP (jeweils im Vergleich zum Vorquartal). Selbst Deutschland, dessen Wirtschaftsleistung Ende 2022 einen satten Rücksetzer verzeichnet hatte (-0,5%), dürfte mit einem blauen Auge davonkommen sein. Laut der ersten Schätzung stagnierte das deutsche BIP zu Jahresbeginn.

Ende gut, alles gut? Ist nach dem Ende der Corona-Pandemie und der »Gewöhnung« an den Ukraine-Krieg eine konjunkturelle Erholung vorprogrammiert? Ein Blick in die jüngste Wachstumsstruktur säht sogleich Zweifel. Eurostat selbst hat zwar noch keine Details bekannt gegeben. Aus den Ergebnissen der nationalen Statistikämter lässt sich aber schliessen, dass vor allem die Exporte und die Bauinvestitionen das BIP in Q1 angeschoben haben.  

Die Bauinvestitionen haben ausschliesslich vom warmen Wetter profitiert. In den nächsten Quartalen dürfte hier der Wind um 180 Grad drehen. Bauaufträge, Baugenehmigungen, Hypothekenanträge und Geschäftsklima sind in den vergangenen Monaten eingebrochen. Mithin zeigt bei keiner anderen Nachfragekomponente der übergeordnete Trend so klar nach unten.

Ähnlich trübe sieht es bei den Exporten aus. Die Entspannung bei den Lieferketten hat zuletzt die Abarbeitung liegen gebliebener Exportorders ermöglicht. Dieser Effekt läuft aber in den nächsten Monaten aus. Gleichzeitig zeichnen sich keine neuen Impulse ab. Im Gegenteil, in den USA rechnen wir im weiteren Jahresverlauf mit einer Rezession. Von der anderen Seite des Atlantiks droht daher eine Auftragsflaute, die China aus unserer Sicht nicht wettmachen kann, zumal weitere Länder (unter anderem Grossbritannien) ebenfalls in schwieriges Fahrwasser geraten sind. 

Die grösste Skepsis hegen wir mit Blick auf die Investitionen in Maschinen und Anlagen. Die restriktive Geldpolitik dürfte hier auf breiter Front negative Spuren hinterlassen. Konnten sich europäische Unternehmen (Investment Grade) zwischen 2019 und 2021 im Schnitt noch zu einem Zinssatz von 0,50% refinanzieren, sind es jetzt über 4,00%. Viele Investitionsprojekte sind dadurch unrentabel geworden. Dies gilt umso mehr, als die Unternehmen auch von anderer Seite (steigende Löhne, hohe Rohstoffpreise) unter Kostendruck stehen. Wird weniger investiert, lässt die Beschäftigungsnachfrage nach, was wiederum den Konsum bremst, der ohnehin weiter unter den hohen Teuerungsraten leidet.  

Alles in allem bleibt in den nächsten Quartalen eine, wenn auch milde, Rezession das wahrscheinlichste Szenario für die Eurozone, wobei die Abwärtsrisiken – etwa durch weitere Finanzmarktschocks – eindeutig gegenüber den Aufwärtsrisiken dominieren. 

Ein solches Szenario haben weder die Währungshüter noch die Aktieninvestoren auf der Agenda. Die EZB rechnet im weiteren Jahresverlauf mit einem soliden Wachstum von rund 1,5% (annualisiert) und die Analysten unterstellen für die DAX-Unternehmen über die nächsten eineinhalb Jahre ein Gewinnwachstum von über 15%. Beides halten wir für unrealistisch. Das von uns prognostizierte rezessive Umfeld wird vielmehr den Boden für ein Risk-off-Umfeld bereiten, in dem die Aktienmärkte Rückschläge erleiden und die Renditen weiter fallen.

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